Am Sonntagabend, den 11.10.2015, wurde in der Akademie der Künste der mit 5.000 EUR dotierte Theaterpreis für herausragende Inszenierungen der Berliner Kinder- und Jugendtheater vom JugendKulturService verliehen. Zum Abschluss und Höhepunkt der festlichen Preisverleihung wurde die Inszenierung „Brunos Abenteuer“ von der Schau- und Puppenspielerin Nicole Gospodarek als bestes Stück für Kinder ausgezeichnet. Das THEATER STRAHL erhielt für „THE WORKING DEAD“ den IKARUS als beste Inszenierung für Jugendliche. Damit wurde nach 2010 und 2011 der Preis zum dritten Mal zu gleichen Teilen auf ein Kinder- und ein Jugendtheaterstück aufgeteilt.
Insgesamt acht Nominierungen hatten sich gestern Abend in fünfminütigen Präsentationen dem gespannten Publikum vorgestellt, bevor Armin Stapel von der Joachim und Anita Stapel Stiftung und Gunnar Güldner, Geschäftführer vom JugendKulturService, den IKARUS und das Preisgeld an die beiden Siegerinszenierungen überreichten.
In den Laudationes betonte Armin Stapel unter anderem: Mit ‚Brunos Abenteuer‘ prämiert der Ikarus 2015 eine beachtliche Einzelleistung einer Solodarstellerin. Mit ihrem Stück begeistert Nicole Gospodarek durch enorme Spielwut und virtuose Beherrschung der Puppen und aller Requisiten auf der kleinen und improvisierten Bühne. Sie brilliert als Schauspielerin wie als Puppenspielerin und beherrscht perfekt den Rollenwechsel zwischen den kleinen Puppen und großer menschlicher Figur. Sie spielt für die Kinder und geht auf deren Reaktionen ein, ohne dabei den Faden der Geschichte zu verlieren. Mit einfachsten Mitteln wird absolut lebendig und glaubhaft Atmosphäre geschaffen, und durch schnelle Wechsel der wenigen Requisiten mit enormer Leichtigkeit immer wieder rasant neue Spielorte erzeugt.
'The Working Dead' packt es [THEATER STRAHL] ein wichtiges Thema an: die
Arbeitswelt und wie sie das Leben der Menschen bedingt, fördert und
manchmal gefährdet und wie sehr sich darin die Erfahrungen der
Generationen unterscheiden. Das […] Berliner Stück von Jörg
Menke-Peitzmeyer führt uns in der Regie von Jörg Steinberg an einen
ungewöhnlichen Ort, eine ehemalige Fabrikhalle in
Berlin-Oberschöneweide. Das ist nicht nur einfach eine originelle
Location für Theater – die Atmosphäre des Ortes und die Nachbarschaft zu
den noch aktiven Arbeitsbetrieben schafft eine besondere Stimmung, in
der das Publikum in etwas eintaucht, an dem es Ungewohntes und Neues
erfahren kann.
Wolfgang Stüßel, Leiter THEATER STRAHL, zum IKARUS: Drei
Nominierungen zum IKARUS 2015 „främmt“, ¡OUR PARK! und THE WORKING
DEAD. Das hat uns gefreut und auch stolz gemacht, weil es ein Kompliment
für unsere Arbeit ist, mit Genres und ästhetischen Richtungen zu
experimentieren und dabei nie unser Publikum aus dem Auge zu verlieren.
Möglich ist das nur durch das große Zusammenspiel und das Engagement aller Mitarbeiter_innen. Aus diesem Grund und weil in allen unseren Stücken viel Herzblut steckt, freuen wir uns sehr über die Anerkennung, die der IKARUS 2015 für THE WORKING DEAD bedeutet.
Die Schauspielerin und Figurenspielerin Nicole Gospodarek zum IKARUS: Noch immer ist es für mich unglaublich, gemeinsam mit der wunderbaren Produktion des Theaters Strahl "The Working Dead", Preisträgerin des IKARUS-Preises 2015 zu sein.
Ich komme mir vor wie jemand, dem man Flügel angeklebt hat, und der nun lernen muss, sie zu benutzen, erfüllt von Vorfreude auf den ersten Flug. Voll Dankbarkeit bin ich für die wunderbare Zusammenarbeit mit meinem kleinen Ensemble, voll Dankbarkeit gegenüber der IKARUS-Jury, dem JugendKulturService, allen Spendern und insbesondere der Stapel Stiftung, die gemeinsam diesen Preis ermöglichten.
Mein Dank gilt ganz besonders auch den ehrenamtlichen Mitarbeitern des JKS, ohne die ein solcher Abend nicht möglich wäre. Möge der IKARUS in die Welt hinaus strahlen. Möge er nicht nur mir, sondern den vielen freischaffenden Künstler_innen im Kinder- und Jugendtheaterbereich die hier in Berlin tätig sind, Mut machen an sich und an Ihre Kunst zu glauben.
Die Geschäftsführerin des JugendKulturService und Mitglied der
IKARUS-Jury, Doris Weber-Seifert erwähnte zur Aufteilung des Preises: Die
Jury sah sich zwei völlig unterschiedlichen Inszenierungen gegenüber:
Einserseits die absolut überzeugende Einzelspielerin Nicole Gospodarek,
die sehr flexibel und trotzdem stringend der Idee ihrer Geschichte
folgend ganz dicht an und mit den Kindern agiert und mit wenigen Mitteln
eine wunderbare Welt aufbaut. Andererseits der große Projektansatz vom
THEATER STRAHL hinsichtlich Stückrecherche, Ensemble, Spielort und der
konfrontativen Gegenüberstellung generationenabhängiger Sichtweisen zum
Thema Arbeit. Diese beiden Inszenierung stechen jede für sich auf ganz
besondere Art und Weise hervor, ohne annähernd vergleichbar zu sein.
Deswegen hat sich die Jury dazu entschieden, den IKARUS 2015
gleichwertig auf diese beiden Inszenierungen aufzuteilen. Beeidruckt
haben uns auch die anderen sechs Nominierungen. Alle gemeinsam stehen
diese Stücke für die hohe Qualität des Berliner Theaters für Kinder und
Jugendliche.
Der IKARUS wird seit 2002 vom
JugendKulturService als Auszeichnung für herausragende Berliner
Theaterinszenierungen für Kinder und Jugendliche vergeben und ist seit
2013 mit 5.000 € dotiert. Der IKARUS möchte auf außergewöhnliche
Theaterstücke aufmerksam machen, die den Theaterbesuchern besonders
empfohlen werden. Nominierungen und Preisträger des IKARUS werden von
einer unabhängigen Jury entschieden.
Die Joachim und Anita Stapel Stiftung
stiftet die Hälfte des IKARUS-Preisgeldes, die zweite Hälfte wird bei
Bürgerinnen und Bürgern in einer Spendenaktion eingeworben. Sie alle
setzen damit ein deutliches Zeichen: Applaus und Anerkennung für diese
künstlerische Arbeit!
In Deutschland angekommen, möchte der junge Rom Rukrie bei der Familie seiner Cousine unterkommen. Er findet ein Smartphone, begegnet dem Hip-Hopper Petrik, der das Smartphone sucht. Dieser heißt Rukrie willkommen und schenkt ihm das Phone. Wo ist das Problem? So schön hatte sich Rukrie seine Ankunft in Deutschland ausgemalt. Doch in Wirklichkeit verlief alles ganz anders. Und davon wird das Publikum ab jetzt Zeuge. Das Smartphone wird nämlich von Petrik gesucht, der es von seinem Bruder geliehen hat, aber es seiner Freundin Mall geborgt hatte, die es verloren hat. Und der Bruder muss es seinem Chef zurückgeben. Das Smartphone, das unerlaubt verliehen, weiter geborgt, vergessen, gefunden, überlassen und verzweifelt gesucht wird, löst einen Diebstahlsverdacht und eine Kettenreaktion aus, die bei den Figuren alle vorgefassten Meinungen über die eigene Stärke sowie über den Charakter und das Wesen von dem „Fremden“ an sich, hier in der Figur eines Rom und einer Romafamilie dargestellt, schlichtweg entblößt. Der ernste Stoff Fremdenfeindlichkeit wird in einem munteren Spiel dargeboten, das nicht der Komik und Satire entbehrt.
Die Inszenierung lässt die chinesische Fabel, bei der zwei Frauen behaupten die Mutter des einen Kindes zu sein und die richtige Mutter ermittelt wird, in dem das Kind von den Frauen aus einem Kreidekreis gezerrt werden soll, als Theaterstück von Kindern in einem Krankenhaus zusammen mit Ärzten und Pflegern spielen. Die Kinder haben die Regie übernommen und bestimmen über die Erwachsenen. Als eine Mutter ihren Sohn abholen möchte, ihn weder ernst nimmt noch ihm richtig zuhört, zwingt er sie geradezu, in dem Stück die Rolle der richtigen Mutter zu übernehmen. Die Kinder – in der Inszenierung spielen Kinder die Rollen der Kinder – stellen im Theaterspiel in einer Situation im Krankenhaus, wo die Erwachsenen das Sagen haben, die Autoritäten auf den Kopf und bestimmen das Geschehen. In dem Stück wird die Emanzipationsgeschichte des Kindes in den Mittelpunkt gestellt. Mit einer vielseitigen, spannungsvollen und unterhaltsamen Darbietung eines ernsten Themas, nämlich dem „Ernstnehmen“ von Kindern und auch das Loslassen der Kinder ab einem bestimmten Alter, ist eine herausragende Inszenierung gelungen.
Die älteste Tochter ist die erste Prinzessin. Jeder Wunsch wird ihr erfüllt. Ihre Schwester dagegen steht im Schatten der ersten Prinzessin, langweilt sich und ist verärgert. Sie beschließt, auch einmal die erste Prinzessin zu sein. Doch wie soll sie das anstellen? Es gibt nur eine Lösung, die ältere Schwester muss weg. Um dieses Ziel zu erreichen, fragt die zweite Prinzessin den Wolf, ob er die erste Prinzessin auffrisst, aber der Wolf winkt ab. Auch der Bär verweigert denselben Wunsch. Und die Köchin möchte die erste Prinzessin nicht zu Suppe kochen. Da ihr Pläne nicht klappen, beschließt sie, die Kronjuwelen zu klauen, aber auch das geht schief. Sie wird dabei erwischt und von den Eltern gefragt, was hinter ihrem Verhalten steckt. Sie gibt zu, dass sie es satt hat, immer nur die zweite Prinzessin zu sein. Nach reiflicher Überlegung fällt dem König eine weise, ja geradezu salomonische Lösung sein. Das versöhnt die zwei Prinzessinnen. In der munteren Inszenierung, bei dem Schauspiel, Puppen- und Figurenspiel ineinander übergehen, werden alle Rollen von der Spielerin in schnellem Wechsel übernommen. Mit Humor und Komik führt sie höchst vergnüglich durch die Geschichte zweier Prinzessinnen, die die großen Nöte kleiner Geschwister durchleben.
Das Publikum sitzt in einem Kreis, den gebündelte Pappröhren umgeben. Eines der senkrecht aufgestellten Bündel bildet das Zentrum. Der Schauspieler, der Adam verkörpert, schlägt mit Schlagstöcken auf den Röhren einen Rhythmus – die einfachste Form der Musik erfüllt das Rund. Ein weiterer Schauspieler und zwei Spielerinnen kommen hinzu und entwickeln ein phantasievolles Spiel. Eine durchgehende Handlung, eine Geschichte ergibt sich nicht, dafür ein Miteinander, ein Zusammen, ein Trennen, ein Trösten, eine Fröhlichkeit und viele gemeinsame Spiele, die sich aus der jeweiligen Situation ergeben. Gemeinsam gehen sie auf eine Entdeckungsreise durch Landschaften und Unterwasserwelten. Denn phantasievolles, spielerisches „Entdecken“ ist der Handlungsfaden, der Kern der Inszenierung. Begleitet von Stimmen, Gesang, Lauten, Objekten und immer wieder Trommeln, welches mit laut, leise, schnell oder langsam die Gemütslage von Adam widerspiegelt. Spiel reiht sich an Spiel. Doch dann möchte Adam für heute den Ausflug in seine Phantasiewelt beenden, bis zu seiner nächsten Spiel-Reise in Adams Welt.
Der junge Berliner Zimmermann Frieder legt als Zeichen seiner Zuneigung
der jungen Jette jeden Tag drei Kartoffeln vor die Tür. Eines Tages
gerät er auf dem Markt in einen Aufstand gegen die steigenden
Kartoffelpreise. Weil er gegen den König demonstriert hätte, wird
Frieder verhaftet und kommt ins Gefängnis. Dort lernt er einen
revolutionär gesinnten Studenten kennen. Draußen werden die Bürger immer
unzufriedener und die Stimmung heizt sich auf.
Als Frieder nach acht
Monaten entlassen wird, treffen ihn die Arbeitslosigkeit. Soweit es die
Umstände und die Armut zulassen, macht Frieder weiterhin Jette, die bei
ihrer Schwester und ihrem Sohn Fritzchen wohnt, den Hof. Nach einer
Mieterhöhung wirft der Hausbesitzer alle auf die Straße und sie finden
Unterschlupf in einem Dachboden. Frieder wird durch seinen früheren
Arbeitskollegen und dem Studenten aus dem Gefängnis immer mehr in die
Arbeiterbewegung hineingezogen. Bei Barrikadenkämpfen gegen das Militär
findet sich Frieder an vorderster Front wieder. Jettes Schwester wird
bei den Unruhen erschossen. Nach Niederschlagung der Revolution 1848
versuchen Jette, Frieder, seine Mutter und Fritzchen in armseligen
Verhältnissen weiterzuleben.
In einer mitten in einer Halle aufgebauten architektonischen Gerüstkonstruktion, die von allen Seiten Ein- und Durchblicke auf verschiedene Spielorte gewährt, werden in tänzerischen und akrobatischen Episoden unterschiedliche Gefühlszustände und Situationen aufgegriffen und dargestellt. Doch nicht nur die Tänzerinnen und Tänzer, sondern auch das Publikum, dass stehend und gehend den Parkour umringt, muss Entscheidungen über die eigenen Wege und Standpunkte treffen. Wenn auf der gegenüber liegenden Seite der Halle sich der Schwerpunkt der Handlung abspielt, ist von dem Einzelnen zu entscheiden, ob er dorthin geht oder auf der Stelle bleibt, bis das Geschehen wieder näher kommt. So wird das Publikum zum Mit-Akteur in einer Performance, die urbane Parkour-Akrobatik mit modernem Tanz verbindet. Die Performance in den durchlässigen Räumen des Bühnenaufbaus, um den das Publikum je nach Fokus wandert, spiegelt die Facetten urbanen Zusammenlebens wider. Die Jugendlichen werden mit einer modernen Tanzperformance konfrontiert, welche eine aktuelle tänzerische-akrobatische Sprache der Eroberung von City äußert und urbanes Leben und Gefühle der Jugendlichen zum Ausdruck bringt.
Die Pressetexte sowie Bildmaterial zur den IKARUS-Festwochen und den Preisverleihungen finden Sie in unserem Pressebereich.
Der JugendKulturService dankt der Joachim und Anita Stapel Stiftung für ihr Engagement beim IKARUS.